Linksammlung

Bericht a. d. Kölner Stadt Anzeiger v. 31. Jan. 2012

Tant I.2012 Ksta0001.PDF.pdf
Adobe Acrobat Dokument 2.4 MB

Gesamter Artikel

Di

31

Jan

2012

Hier entfaltet sich die kölsche Seele

Hier entfaltet sich die kölsche Seele

Von Tobias Christ, 01.02.12, 19:16h

„Bei d’r Tant“ gibt's Gemütlichkeit auf kölsche Art und genau deshalb fühlen sich die Gäste hier wie in einem Wohnzimmer. Schunkel-Lieder, Rösti und Verzällcher: So lieben die Gäste ihre Traditionskneipe.

Ausgehen Bei d'r Tant 31.01.12
Bild vergrößern
Gemütlichkeit auf kölsche Art: „Bei d’r Tant“ fühlen sich die Gäste wie in einem Wohnzimmer. (Bilder: Michael Bause)

Innenstadt - Am Nachmittag noch hat Peter Hoffmann, Spitzname Harry, auf der Bühne vor 1400 „tollen Frauen“ getanzt – Mädchensitzung der Roten Funken im Gürzenich. Nun steht der 40-Jährigesamt rot-weißem Ornat und Schiffchen im Schummerlicht und lässt sich ein Feierabend-Kölsch schmecken. Er und seine Co-Karnevalisten strahlen so farbenfroh und glücklich in den Raum wie die gemalten Clowns an der Wand. „Bei d’r Tant“, da ist sich Harry sicher, ist die Stimmung immer gut.

Zwischen gesichtslosen Geschäftshäusern, umtost von mehrspurigem Innenstadtverkehr, wirkt das Traditionslokal an der Cäcilienstraße wie eine Oase. Der Schankraum hält, was die festlich illuminierte Fassade verspricht: Gemütlichkeit auf kölsche Art. Der Platz ist begrenzt rund um die massiv-hölzerne Theke, die wie eine rustikale Volkstheaterbühne den Dreh- und Angelpunkt des Geschehens darstellt. „Jupp“, der vielbeschäftigte Herr über die Kölschfässer, spielt hier eine der Hauptrollen.

Hier fühlt man sich direkt zu Hause

So überschaubar die gute Stube, so groß der Raum für die kölsche Seele. Bei einschlägigem Schunkel-Liedgut, Rösti mit Räucherlachs und „Verzällcher“ mit guten Freunden kann sie sich frei entfalten. „Man fühlt sich direkt hier zu Hause, es ist familiär“, sagt Harry, der Rote Funke: „Das ist ein Stück urtümliches Köln.“ Geschäftsführer Johannes Bauchmüller teilt die Begeisterung. „Bei d’r Tant“ – das sei „wie mit guten Freunden im Wohnzimmer“.

Anfangs, vor mehr als 100 Jahren, hieß das „Wohnzimmer“ noch Cäcilienschenke. Mit Maria Kremer änderte sich das. Sie betrieb die Kneipe von 1930 bis zum Zweiten Weltkrieg zusammen mit ihrem Mann Arnold und nach seinem Tod viele Jahre allein. Den Kindern aus der Nachbarschaft schenkte sie gerne Zuckerstangen. „Mer jon bei d’r Tant“ („Wir gehen zur Tante“) sollen sie irgendwann gerufen haben. So bürgerte sich der spätere Name ein.

Vom Schuhputzer bis zum Millionär

Spätestens auf dem Weg zum Speiseraum im ersten Stock spürt der Gast, dass es sich die Protagonisten des organisierten Karnevals regelmäßig in Tantchens Wohnzimmer gemütlich machen. Seit 1990 haben sämtliche Kölner Dreigestirne ihre Fotos hinterlassen, die nun im schmalen Treppenhaus wie Trophäen ausgestellt werden. Außerdem haben mehrere Traditionsvereine hier ihr Stammlokal. Ganze Musikzüge haben schon im und am Lokal auf die Pauke gehauen. Die Theke zieht aber auch Prominente an. Helmut Kohl oder Peer Steinbrück kamen schon auf einen Schluck vorbei. Vom Schuhputzer bis zum Millionär – „Bei d’r Tant“ fühlen sich viele wohl.

Von Wieverfastelovend bis Rosenmontag herrscht natürlich Ausnahmezustand. An den tollen Tagen rücken sich die Jecken schon vom späten Vormittag an mächtig auf die Pelle: „Wenn Sie einen Euro in die Luft schmeißen, kommt der unten nicht an“, sagt Bauchmüller. Dass das Lokal am Karnevalsdienstag geschlossen hat, ist sicher ungewöhnlich. Aber die Kraftreserven des Personals seien spätestens dann erschöpft, so der 60-Jährige.

Empfehlenswert auch für Imis

Während die Roten Funken die Kölschkränze kreisen lassen, genießt Linda Bell das Treiben in der gegenüber liegenden Ecke des Raumes. Sie sitzt an einem der Tische, von denen aus sich das jecke Schauspiel bestens beobachten lässt. „In kaum einer Kneipe finden Sie so viel Karneval schon vor den tollen Tagen“, schwärmt Linda Bell. Schon seit den 1970er Jahren kommt sie vorbei, mittlerweile gehört auch sie zur Familie. Dass sie ein „Imi“ aus der Eifel ist, stört niemanden. Man kann ja dazu lernen. „Im Karneval kriegt man hier beim Schunkeln auch die Lieder schön erklärt“, sagt Bell und lacht herzlich.

Steckbrief

„Bei d’r Tant“ befindet sich an der Cäcilienstraße 28, Ecke Antonsgasse. Geöffnet ist das Lokal Montag bis Donnerstags von 11 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag von 11 bis 1 Uhr. Sonn- und feiertags ist geschlossen. „Bei d’r Tant“ liegt in der Nähe des Neumarkts und ist mit der Straßenbahn bestens erreichbar. Die Haltestelle Heumarkt liegt nicht weit entfernt.

Die Küche bietet Bürgerliches auf kölsche Art. Als Spezialitäten des Hauses gelten unter anderem die hausgemachten Bratkartoffeln sowie Rösti und Reibekuchen , wahlweise mit Räucherlachs oder frischem Tatar. Ein Gaffel-Kölsch kostet 1,50 Euro. Zu erreichen ist das Lokal unter der Telefonnummer 0221/257 73 60. (cht)

7 Kommentare